Responsible Leaders als Vorbild

Was eine vorbildliche Führung ausmacht

Responsible Leadership nimmt im Weiterbildungsprogramm des FAA-HSG eine zentrale Rolle ein. Professorin Antoinette Weibel und Weiterbildungsleiterin Meike Wiemann-Hügler erklären, wieso Vorbilder in der Führung heute wichtiger denn je sind und was sie ausmacht.

«Blicken wir in die Welt, sehen wir uns umgeben von Krisen aller Art: Wirtschaftseinbrüche, Klimakrise, schwächelnde Demokratien und unzählige Kriege. Ihre Auswirkungen beängstigen uns und um mit ihnen fertig zu werden braucht es Führung, die es schafft, andere Menschen sicher durch diese Krisen zu leiten», betont Meike Wiemann. Das Forschungsinstitut für Arbeit und Arbeitswelten der Universität St.Gallen (FAA-HSG) erachtet deshalb Responsible Leadership – zu Deutsch «Verantwortung als Führungskraft bewusst übernehmen» – als das Führungsthema der Zukunft. «Unabhängig vom Erfolg politischer Führung sind wir überzeugt davon, dass jetzt besonders Unternehmen und ihre Führungskräfte gefragt sind, um Veränderungen zum Wohle aller herbeizuführen.» Ihre Entscheidungen, in welche Sektoren, Rohstoffe, Technologien oder Produkte sie investierten, aber auch wie wir im Unternehmen zusammenarbeiten würden, seien prägend dafür, wie sich unser Zusammenleben auf und mit diesem Planeten entwickeln werde.

Genau hinschauen und wertebasiert entscheiden

«Der Edelman Vertrauensbarometer kommt hier seit Jahren zu einer ähnlichen Aussage: Unternehmen werden als letzter Fels in der Brandung gesehen. Unternehmensführung wird aufgefordert, sich auch in gesellschaftliche Themen einzubringen», ergänzt Antoinette Weibel. Der Wandel beginne nicht nur im Grossen. Jedes Unternehmen und jede Führungskraft könne mit «guten» Entscheidungen ihren Beitrag leisten. Hier knüpfe das neue Weiterbildungsprogramm «Responsible Leadership – HSG» an. Es habe den Anspruch, Führungskräfte darin zu schulen, wie sie zu solch guten Entscheidungen und damit zu «Vorbildhandeln» gelangen und dieses durchsetzen könnten. Trotz eines Umfelds, das Führungskräfte unternehmensextern sowie intern stark unter Druck setze.

«In unserer Weiterbildung zeigen wir zunächst auf, dass Führung immer mehr von Komplexität gekennzeichnet ist. Zum einen leben wir in einer hochgradig verknüpften Welt, zum anderen sehen wir uns vielen unterschiedlichen Interessen, Bedürfnissen und Weltsichten gegenüber», erklärt die HSG-Professorin. Selbst im eigenen Unternehmen sei die Belegschaft bunter geworden, und nicht selten zeigten sich die verschiedenen Anspruchsgruppen auch wenig solidarisch. Dies führe dazu, dass sich Führungskräfte bei ihren Entscheidungen oft in Dilemma-Situationen befänden. «Dies sind Situationen, in denen es z.B. zwischen ökonomischen, ökologischen oder sozialen Zielen und Verantwortung abzuwägen gilt. Oftmals sind hierbei Werte miteinander im Konflikt». Es gehe deshalb darum, genau hinzuschauen, Interessen richtig zu interpretieren, abzuwägen, wertebasiert und ausgewogen, je nach Kontext, zu entscheiden und die beste Entscheidung dann auch mutig und ausdauernd umzusetzen. Dafür brauche es «Denk»-Werkzeuge und Skills sowie einen inneren Kompass, der Führungskräfte sicher leite und der trainiert werden könne. «Wem dies gelingt, gibt anderen Halt in einer zunehmend verunsichernden Welt und sei Vorbild für andere», fügt Meike Wiemann-Hügler hinzu. Es stärke ausserdem das Vertrauen bei Mitarbeitenden, Kundi:innen und Partner:innen und ziehe Talente sowie Investor:innen an. Sei also entscheidend für die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen. Welche Kompetenzen und Werte für verantwortungsvolle Führung im Zentrum stehen und wie sie trainiert werden können, erläutern die beiden in einem separaten Beitrag im Detail: Hier geht es zum Beitrag.

Dem moralischen Kompass gefolgt

Auf konkrete Beispiele von aktuellen Vorbildern in Wirtschaft und Politik angesprochen, nennt Antoinette Weibel spontan Paul Polman, der als CEO von Unilever das Unternehmen auf eine «Net Positive» Kurs brachte. «Er setzte langfristige Ziele über kurzfristige Profite und führte den Unilever Sustainable Living Plan ein, der Umweltauswirkungen senken, die Gesundheit verbessern und Millionen von Menschen wirtschaftlich stärken sollte.» Dabei habe er viel vernunftbegabte Führung gezeigt. «Er erkannte stets den richtigen Zeitpunkt, um Hindernisse aus dem Weg zu räumen und das Unternehmen zumindest stückweise zu wandeln.»

Strategien gegen «Dark Leadership»

Und was macht Leader wie beispielsweise Steve Jobs oder Elon Musk zu besonderen Führungspersonen? «Beide ‹Führungsfiguren› tragen narzisstische Züge und gelten oder galten als autoritär und einschüchternd», antwortet Antoinette Weibel. Solche Charaktereigenschaften, kombiniert mit hoher Intelligenz, könnten verführerisch wirken, wie Professor Manfred Kets de Vries in seinem Buch Dark Leadership beschreibe. «Gerade in Zeiten der Unsicherheit und Komplexität ziehen solche Persönlichkeiten Menschen an, weil sie einfache Lösungen und vermeintliche Stabilität versprechen.» Oft setzten sie charismatische und manipulative Taktiken ein, um Emotionen zu steuern und Loyalität aufzubauen, indem sie Feindbilder schafften und ein «Wir gegen die Anderen»-Gefühl kultivierten.

«Wir dürfen daher davon ausgehen, dass solche wenig wünschenswerten Charakterzüge auch künftig im Top-Management sichtbar sein werden. Umso wichtiger ist es, vermehrt verantwortungsvolle, aufrichtige Führungskräfte zu fördern», gibt Antoinette Weibel zu bedenken. Gegenmittel seien die Resilienz und Reflexivität der Mitarbeitenden zu stärken. – Qualitäten also, die auf Besonnenheit und Menschenliebe gründeten und wenig gemein hätten mit dem Führungsstil von Jobs oder Musk. Im Gegensatz zu früher seien die Anforderungen an Führung gestiegen. Mehr denn je gelte, dass die Unternehmen Teil der Lösung sein müssten. «Wir können weder den Planeten noch unser Zusammenleben ohne die Wirtschaft retten. Gemeinsam oder gar nicht.»

Prof. Dr. Antoinette Weibel ist Ordinaria für Personalmanagement und Direktorin Forschungsinstitut für Arbeit und Arbeitswelten der Universität St. Gallen (FAA-HSG).

Dr. Meike Wiemann-Hügler ist Weiterbildungsleiterin und Lehrbeauftragte am Forschungsinstitut für Arbeit und Arbeitswelten der Universität St.Gallen (FAA-HSG) und am Departmement Management & Leadership der Hochschule für Wirtschaft Zürich (HWZ)

 

Interview: Claudia Schmid, Büro für Kommunikation, St. Gallen, November 2024

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